Loved&Found Magazine:The Future Issue

Redaktioneller, inhaltlicher und textlicher Lead als Chefredakteurin für das Magazin Loved & Found „The Future Issue“ (Ausgezeichnet mit Bronze in der Kategorie „Corporate Publishing Magazines“ bei den ADC Awards 2016).

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Editorial

Früher blieb man stumm, wenn es um die Zukunft ging. Bis ins späte Mittelalter hinein existierte in vielen Sprachen nicht einmal die Zeitform Futur. Die brauchte auch niemand, solange das Zukünftige etwas Jenseitiges blieb, über das nur die Kirche Bescheid wusste. Die Menschen lebten in einer Endlosschleife von Gottgegebenheiten. Sie hangelten sich entlang der Jahreszeiten von Saat zu Ernte, ein kirchlicher Feiertag reihte sich an den nächsten. Die Idee, man könnte das Morgen und sein eigenes Leben aktiv gestalten, war unvorstellbar.

Erst mit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, die den Menschen und seine Fähigkeiten in den Mittelpunkt stellte, erweiterte sich auch der Zeithorizont. Heute ist die Zukunft allgegenwärtig. Jeder möchte wissen, was als Nächstes passiert. Im permanenten Rauschen des Informationszeitalters, in dem wir uns in Lichtgeschwindigkeit an neue Gegebenheiten anpassen müssen, haben Zukunft- und Trendforschung Hochkonjunktur. Sie versprechen ein Stück Sicherheit im ständigen Wahnsinn der Wechselhaftigkeit. Und tatsächlich lassen sich Trends für die nächsten Jahre relativ präzise voraussagen. Dennoch bleiben es Wahrscheinlichkeiten, die absolute Sicherheit bietet die Prognose nie. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als mit der Unsicherheit zu leben.

Der US-amerikanische Publizist H. B. Gelatt attestiert uns deshalb einen »Zukunftssinn«: »Er beinhaltet die paradoxe Fähigkeit, nicht genau zu wissen, wie die Zukunft sein wird, das Chaos der Gegenwart nicht völlig zu verstehen, aber dennoch fest daran zu glauben, dass wir daran arbeiten können, die Zukunft zu schaffen, die wir uns wünschen.« Gelatt nennt es die Lebensphilosophie der »positiven Unsicherheit«.

Auch die LOVED&FOUND Redaktion hat sich dieser Ausgabe mit viel positiver Unsicherheit genähert und dabei nicht nur die Gegenwart auf ihre Zukunftsfestigkeit untersucht, sondern auch Futuristisches aus der Vergangenheit betrachtet. Und weil der Gedanke an das Ungeschehene zum Fantasieren einlädt, haben wir für Sie fiktive Food-Innovationen zubereitet (Nr. sechsunddreißig), utopische Gadgets erfunden (Nr. zwanzig) und entstofflichte Modevisionen in Form von tragbaren Zuständen kreiert (Nr. fünfundvierzig). Denn wer seine Zukunft gestalten möchte, der braucht vor allem Fantasie, da sind wir uns ganz sicher.

Ihr LOVED&FOUND Zukunftsinstitut